Fehlender Fahrradhelm: Kein Mitverschulden an einem Verkehrsunfall

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Fahrradfahrer sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Verkehrsunfälle haben hier oft gravierende Auswirkungen und gesundheitliche Folgen. Immer häufiger kommt es vor, dass Kfz-Haftpflichtversicherungen nach einem Unfall Schmerzensgeldansprüche ablehnen, weil sie von einem Mitverschulden des Fahrerfahrers ausgehen, wenn dieser keinen Schutzhelm getragen hat. Mit dieser Argumentation setzt sich jetzt eine neue Entscheidung des OLG Nürnberg auseinander.

Radfahrer ohne Schutzhelm: Fehlendes Mitverschulden bei einem Unfall

Im vom Oberlandesgericht Nürnberg entschiedenen Fall wurde eine 27-jährige Fahrradfahrerin im Alltagsradverkehr innerorts an einer Kreuzung von einem Auto übersehen und kam zu Sturz, wodurch sie Kopfverletzungen erlitt. Da sie beim Fahrradunfall keinen Schutzhelm trug, machte die beklagte Versicherung deshalb während des Prozesses geltend, dass hierdurch ein Mitverschulden der Fahrradfahrerin vorliege. Mit Fahrradhelm hätten sich die Kopfverletzungen vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. Das OLG Nürnberg folgte dieser Auffassung nicht (Urteil vom 20.08.2020, Az. 13 U 1187/20).

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Zunächst verwies das Gericht zutreffend darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Mitverschulden wegen des Nichttragens eines Fahrradhelms nur dann in Betracht kommt, wenn im Unfallzeitpunkt nach dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein das Tragen eines Helms beim Fahrradfahren zum eigenen Schutz erforderlich ist. Ein solches allgemeines Verkehrsbewusstsein schloss das Oberlandesgericht Nürnberg allerdings aus. Es konnte sich dabei insbesondere auf Statistiken eines Mitglieds des entscheidenden Senats berufen, das seit etlichen Jahren an einer beliebten Straße die Radfahrer mit und ohne Helm zählt.

Mehrheit der Fahrradfahrer in Deutschland trägt keinen Helm

Danach liegt der durchschnittliche Anteil der Helmträger unter den Fahrradfahrern bei weniger als 20 Prozent. Diese Ergebnisse entsprechen im Wesentlichen auch denjenigen aus amtlichen Quellen. So trugen nach Erhebungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2019 innerorts lediglich 18 Prozent und außerorts nur 23 Prozent der beobachteten Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Gerade bei jüngeren Radfahrern war der Fahrradhelm sogar noch weniger oft vertreten

Zwar habe sich in den letzten zehn Jahren eine leichte Steigerung ergeben, die weit überwiegende Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung nutze aber jedenfalls nach wie vor keinen Helm beim Fahrradfahren, führt das OLG Nürnberg weiter aus. Eine allgemeine Verkehrsauffassung des Inhalts, dass Radfahren eine Tätigkeit darstellt, die generell derart gefährlich ist, dass sich nur diejenigen verkehrsgerecht verhalten, die einen Helm tragen, besteht demnach weiterhin nicht.

Schmerzensgeld für Fahrradfahrer nach Unfall: Soforthilfe vom Rechtsanwalt im Verkehrsrecht

Die Entscheidung zeigt aber auch: Sobald ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung beim Fahrradfahren tatsächlich einen Fahrradhelm trägt, können Gerichte bei einem Verkehrsunfall auch ein Mitverschulden annehmen, wenn der verletzte Fahrradfahrer keinen Schutzhelm getragen hat.

So dürfte etwa beim Rennradfahren bereits heute ein Mitverschulden gegeben sein. Und auch bei Pedelecs und E-Bikes tragen viele Fahrer schon heute einen Fahrradhelm. Hier könnten die Gerichte in Zukunft also durchaus zu einem Mitverschulden kommen, wenn kein Schutzhelm getragen wird.

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