Im Rahmen des Ehegattennachzugs muss der Ehegatte regelmäßig deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 nachweisen. Doch hiervon hat der Gesetzgeber einige Ausnahmen geschaffen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann die Familienzusammenführung ohne A1-Zertifikat möglich ist.
A1-Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug erforderlich
Der nachzugswillige ausländische Ehegatte muss sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können. Diese umstrittene Spracherfordernis beim Ehegattennachzug hat der Gesetzgeber eingeführt, um die Integration in Deutschland zu erleichtern. Unter einfachen deutschen Sprachkenntnissen sind dabei Kenntnisse auf dem Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmen gemeint. Diese müssen in der Regel bereits bei der Beantragung eines Visums zum Ehegattennachzug vorliegen und durch ein A1-Zertifikat nachgewiesen werden.
Dabei ist es grundsätzlich egal, ob der Nachzug zu einem Ausländer oder zu einem Deutschen erfolgt. Lediglich bei einem Nachzug zu privilegierten Ausländern im Sinne des § 41 AufenthV entfällt das A1-Erfordernis. Hierunter fallen Staatsbürger aus Australien, Israel, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, USA, Andorra, Brasilien, El Salvador, Honduras, Monaco, San Marino sowie seit dem Brexit-Abkommen auch britische Staatsbürger. Und auch beim Ehegattennachzug zu türkischen Staatsangehörigen kommt eine Ausnahme vom A1-Sprachnachweis in Betracht.
Soforthilfe vom Rechtsanwalt im Ausländerrecht
Die deutschen Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmen müssen dabei durch ein geeignetes Sprachzeugnis nachgewiesen werden. Die deutschen Botschaften akzeptieren dabei beispielsweise Sprachtests des Goethe-Instituts, des TestDaF-Instituts sowie der telc GmbH. Die Kosten hierfür muss der nachzugswillige Ausländer selbst aufbringen. Das A1-Sprachzertifikat darf beim Ehegattennachzug außerdem nicht älter als ein Jahr sein. Wegen Corona akzeptieren die Botschaften aktuell allerdings vorübergehend auch ältere A1-Tests.
Ehegattennachzug ohne A1: Ausnahmen vom Spracherfordernis
In einigen Fällen muss der nachziehende Ehegatte glücklicherweise überhaupt keine deutschen Sprachkenntnisse nachweisen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn überhaupt kein dauerhafter Aufenthalt beabsichtigt wird. In der Praxis betrifft dies vor allem Ehepartner von Geschäftsreisenden, die sich lediglich vorübergehend in Deutschland aufhalten und so den A1-Test umgehen können.
Auch beim Zuzug zu ausländischen Hochqualifizierten und Fachkräften, zu Forschern und Inhabern einer blauen Karte EU sowie zu ausländischen Selbstständigen entfällt das Erfordernis der deutschen Sprachkenntnisse. Darüber hinaus ist ein Ehegattennachzug ohne A1 auch bei Ehepartnern von anerkannten Asylbewerbern sowie Flüchtlingen und Ausländern mit subsidiären Schutzstatus möglich, sofern die Ehe schon im Herkunftsland bestand.
Die einfachen deutschen Sprachkenntnisse müssen ebenfalls nicht nachgewiesen werden, wenn ein erkennbar geringer Integrationsbedarf besteht. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn der Ehegatte ein Hochschulstudium absolviert hat und sich problemlos ohne staatliche Hilfe in das Leben in Deutschland integrieren wird. Da die deutschen Botschaften hier eng mit den Ausländerbehörden zusammenarbeiten, sollten im Visumsverfahren unbedingt entsprechende Nachweise vorgelegt werden.
Ausnahmen vom Sprachnachweis in Härtefällen und wegen Krankheiten
Wer wegen einer Behinderung oder Krankheit von vornherein keine deutschen Sprachkenntnisse erwerben kann, ist ebenfalls vom Erfordernis des Sprachnachweises bei der Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung befreit. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber im Jahr 2015 als Reaktion auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch eine Ausnahme in weiteren Härtefällen vom Erfordernis des deutschen Sprachnachweise auf dem Niveau A1 des europäischen Referenzrahmens eingeführt.
Überblick über die Ausnahmen von den A1-Deutschkenntnissen
- Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, wenn die Ehe bereits im Herkunftsland bestand
- Ehegatte ist wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen
- erkennbar geringer Integrationsbedarf (zum Beispiel Hochschulstudium)
- in Deutschland lebender ausländischer Ehegatte besitzt die Staatsangehörigkeit von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands oder von Andorra, Brasilien, El Salvador, Honduras, Monaco oder San Marino
- in Deutschland lebender Ehegatte ist im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte, ist Forscher, Fachkraft oder Selbständiger
- es liegt ein besonderer Härtefall vor (Erwerb der deutschen Sprachkenntnisse war innerhalb eines Jahres nicht möglich oder zumutbar)
Ein solcher Härtefall liegt vor, wenn es dem ausländischen Ehegatten von vornherein nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise nach Deutschland einfache deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben. Dasselbe gilt, wenn aufgrund ernsthafter Bemühungen von mehr als einem Jahr das entsprechende A1-Sprachniveau nicht erreicht werden konnte. Gerade bei Familienzusammenführungen während der Coronakrise kommt ein solcher Härtefall in Betracht, da die Sprachschulen meist geschlossen sind.
Die Botschaften gehen hier aber oftmals davon aus, dass einfache deutsche Sprachkenntnisse beispielsweise auch bei geschlossenen Sprachschulen über einen Onlinekurs erworben werden können. Zudem bieten einige Botschaften mittlerweile einen Deutsch-Schnelltest im Rahmen der persönlichen Vorsprache bei der Visumsbeantragung an. Zudem arbeitet das Goethe-Institut aktuell an Online-Sprachtests.
Ausnahmen vom A1-Sprachnachweis: Hilfe vom Rechtsanwalt im Ausländerrecht
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ein Ehegattennachzug ohne A1 durchaus möglich ist. Da hierbei aber stets alle Umstände des Einzelfalls betrachtet werden müssen, kann eine Unterstützung durch einen Rechtsanwalt im Ausländerrecht hilfreich sein, um die Botschaften und Ausländerbehörden zu überzeugen.
Gerade in Ländern wie Afghanistan oder Iran ändert sich die Lage aufgrund der Corona-Krise derzeit recht schnell. Auch die Botschaften und Ausländerbehörden reagieren hierauf und lassen teilweise weitere Ausnahmen vom A1-Sprachnachweis zu. So soll nach einer Weisung des Bundesinnenministeriums eine Ausnahme vom Spracherfordernis vorliegen, wenn die Sprachschulen seit mindestens sechs Monaten geschlossen sind.
Sie haben Fragen zum Ehegattennachzug ohne A1-Sprachnachweis? Im Rahmen unserer gratis Erstberatung können wir Ihnen eine erste Einschätzung geben, ob in Ihrem Fall eine Ausnahme vorliegt.